Silvester: Pferde und Stall richtig vorbereiten

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Silvester: Pferde und Stall richtig vorbereiten – vitaliybelozerov – stock.adobe.com

Silvester besteht für Pferde und Ställe erhöhte Unfall- und Brandgefahr.  Wenn Pferde durch die Knallerei, den Geruch oder die Lichtblitze in Panik geraten, kann das für sie und andere böse Folgen haben. Setzt eine Rakete Stroh oder Heu in Brand, ist schnell eine ganze Existenz vernichtet und Pferde- wie Menschenleben gefährdet. In den meisten Fällen passiert glücklicherweise nichts und das neue Jahr beginnt unbeschadet. Kommt es jedoch zum Worst Case Scenario, muss jeder wissen, was zu tun ist. Das hilft bei der Schadensbegrenzung.

Sicherheitsmaßnahmen für den Stall 

Silvester ist für die meisten Pferde im Stall weniger stressend als für Pferde, die das Spektakel draußen erleben. Stallmauern dämpfen die Geräusche, die Lichtreize werden von den Pferden drinnen nicht oder nur eingeschränkt gesehen. Die vertraute Umgebung gibt den Pferden Sicherheit. Ganztägiges Aufstallen kann deshalb dort, wo Feuerwerk schon lange vor Mitternacht abgebrannt wird, sinnvoll sein. Musik im Stall nimmt als Geräuschkulisse der Silvesterknallerei die Schreckmomente, helle Beleuchtung verringert den Kontrast zu den Lichteffekten der Feuerwerkskörper.

In Pferdeställen liegt der Fokus an Silvester vor allem auf dem Brandschutz. Ein einzelner verirrter Feuerwerkskörper im Heu oder Stroh reicht, um einen Stall in Brand zu setzen und Pferdeleben zu vernichten. Schnelles, beherztes Handeln kann das verhindern. Auch wenn sich das niemand vorstellen mag: Sich vorher darüber Gedanken zu machen, wie es am besten zu verhindern ist und was im Notfall  getan werden muss, kann helfen, Leben zu retten. 

Für die Pferde:

  • Alle Pferde aufgehalftert in die Box stellen
  • An jede Box einen Führstrick und ein großes, nasses Handtuch (aus Baumwolle!) hängen

Für den Stall

  • Boxenfenster und Stalltüren schließen
  • Funktionierende Feuerlöscher bereitstellen (und benutzen können)
  • Vor jede Box einen gefüllten Wassereimer stellen
  • Wasserschlauch sollte angeschlossen sein
  • Notkoppel/-paddock bestimmen
  • Notfallsituation mit Einstellern vorher besprechen
  • Erreichbarkeit von Helfern sicherstellen
  • Notausgang freihalten

Bei Feuer:

  • Sofort Notruf auslösen
  • Möglichst ruhig die Pferde aus dem Stall holen
  • mit dem Löschen beginnen
  • Wenn möglich Feuerherd eingrenzen

Häufig weigern sich Pferde, ihren brennenden Stall zu verlassen, und sind dann nicht zu retten. Es kann helfen, das nasse Handtuch, eine Jacke oder eine Decke dem Pferd bei Rettung aus einem brennenden Stall so über den Kopf legen, dass es nichts sehen kann. Aber Vorsicht mit Kunststoffen. Sie schmelzen in der Hitze, werden extrem heiß und verursachen dann schwerste Verbrennungen. Darum gilt: Der Kontakt von Kunststoffen mit offenem Feuer muss unbedingt vermieden werden.

Wenn es brennt, möglichst raus aus den Kunststoff-Klamotten. Was leichter gesagt ist, als getan, weil Reitbekleidung und Zubehör für Pferde fast immer ganz oder teilweise aus Kunststoffen bestehen. Notfalls die Kleidung durchnässen, lieber nass und kalt, als verbrannt. Das gilt auch für die Pferdedecken! Runter damit, wenn es brennt. Ungeschorene Pferde an Silvester lieber nicht eindecken. Vor der Rettung gegebenenfalls mit Wasser übergießen. Vor allem aber: Ruhe bewahren, auch wenn es noch so schwer fällt.

an silvester durch feuerwerk in panik versetzt koennen sich pferde bei stuerzen schwer verletzen

An Silvester durch Feuerwerk in Panik versetzt, können sich Pferde bei Stürzen schwer verletzen (© Patricia Lösche)

Offenstallpferde sind fluchtgefährdet

In Offenställen geht es vor allem um die Fluchtgefahr. Pferde in Offenstallhaltung sind der Knallerei mehr oder weniger schutzlos ausgeliefert. Ebenso Pferde, die tagsüber auf Winterweide stehen. Manche Menschen finden die Panik der Pferde lustig und machen sich einen Spaß daraus, Pferde mit Böllern in Angst und Schrecken zu versetzen, Für eine durch Feuerwerkskörper in Panik versetzte Pferdeherde ist ein Zaun kein Hindernis und auf ihrer Flucht können die Pferde schwere Unfälle verursachen und erleiden. Videoüberwachung – zum Beispiel mit Wildkameras – kann wenigstens helfen, die Täter später zur Verantwortung zu ziehen.

Besonders empfindlich reagieren Pferden, die sich in chronischen Stresssituationen befinden, aufgrund von Mobbing durch Artgenossen etwa oder als Herdenneulinge. Schon ohne die Silvester-Knallerei reagieren sie oft sensibler und schneller auf ungewohnte Geräusche im Umfeld als unbelastete Herdengenossen. Das genetisch verankerte Wissen ihrer Vorfahren sagt ihnen, dass sie stärker gefährdet sind als psychisch stabile und gut integrierte Tiere. Das macht sie fluchtbereiter. Gerät ein Pferd in Panik, folgen die anderen oft blindlings und es kommt zur Gruppenflucht. 

Wo das möglich ist, sollten Pferde an Silvester sicherheitshalber aufgestallt werden. Auf jeden Fall ist es wichtig, den Offenstall an Silvester nicht unbewacht zu lassen.

Silvesterschmerz

Schmerz, physischer wie psychischer, bedingt immer ein erhöhtes Stressniveau. Der Stoffwechsel gestresster Tiere ist durch die Ausschüttung von Stresshormonen (z.B. Adrenalin) bereits auf eine erhöhte Alarmbereitschaft voreingestellt, ihre Reizschwelle entsprechend niedriger. Ungewohnte Schreckhaftigkeit kann sogar ein Hinweis auf unerkannte Schmerzzustände sein. Bei Hunden wurde dieser Zusammenhang zwischen erhöhter Geräuschempfindlichkeit und Schmerz 2018 durch eine Studie nachgewiesen.

Umgekehrt kann ein Schreck aber auch Schmerzen verursachen, vor allem bei Erkrankungen des Bewegungsapparates. Der durch diese Krankheiten hervorgerufene Schmerz sorgt einerseits sekundär für Verspannungen, andererseits verstärken Verspannungen die Schmerzzustände. In Vorbereitung einer eventuell notwenigen Flucht oder Verteidigung bewirkt Schreck eine spontan erhöhte Muskelanspannung. Das kennt jeder von sich selbst: Wir zucken bei Schreck zusammen oder springen schnell auf und zur Seite.

Schießt dem Pferd schreckbedingt bei jedem Böller der Schmerz in die Glieder, kann das zu einer Konditionierung führen: Der durch den Schreck ausgelöste spontane Schmerzimpuls wirkt als anonyme Bestrafung. Das erzeugt Angst. Diese Allianz aus Angst und Schmerz wirkt als hochpotenter Lernverstärker und die Angst kann sich bis zur Panik steigern. Pferden mit akuten oder chronischen Schmerzzuständen – vor allem durch Erkrankungen im Bewegungsapparat – erleichtert man Silvester durch eine angemessene Schmerzmedikation und beugt dadurch einer negativen Konditionierung vor.

Desensibilisierung gegen Silvesterknaller

Bei sozial unterforderten, im Training unausgelasteten oder allgemein reizarm gehaltenen Pferden ist übermäßige Schreckhaftigkeit nicht selten. Welcher Reiter kennt nicht die Situationen, in denen man den Eindruck nicht los wird, das Pferd suche förmlich nach einem Anlass, sich zu fürchten. Es ist, als wolle es die Funktionstüchtigkeit der unterbeschäftigten Reflexe hin und wieder überprüfen wollen.

Silvester mit Pferden Beitragsbild 670x447 ©Patricia LöscheSilvester ist es besser für Pferde, Boxenfenster geschlossen zu halten (© Patricia Lösche)

Für sie, sowie für grundsätzlich sehr sensible Pferdepersönlichkeiten, ist das allmähliche Anheben der Reizschwelle durch Gewöhnung an potentiell erschreckende Umgebungsreize sinnvoll. Die Sensiblen werden dadurch mutiger, die gelangweilten freuen sich über die Abwechslung. Spezielle Geräusche „vom Band“ können da ebenso helfen wie die allmähliche Desensibilisierung durch alles was klappert und knallt, scheppert und flattert oder unheimlich ist. Doch Vorsicht: Hier ist unbedingt fachmännisches Vorgehen durch einen ethologisch versierten, einfühlsamen Trainer gefragt, damit dadurch keine Angst hervorgerufen oder verstärkt wird. Begonnen wird mit der Desensibilisierung spätestens einige Wochen oder sogar Monate vor Silvester. Danach profitieren Pferd und Reiter auch im Alltag davon.

Fazit

Silvester ist kein schöner Tag, wenn man Pferde hält. Ställe sind voll mit leicht brennbaren Materialien wie Heu und Stroh und es besteht erhöhte Brandgefahr. Bei Pferden in Offenstall-, Weide- oder Paddockhaltung steigt das Risiko einer panischen Flucht mit entsprechenden Folgen. Da Pferdehalter eine Sorgfaltspflicht haben, sollte Silvester eine aufmerksame Betreuung sichergestellt werden. Wildkameras leisten gute Dienste wenn es darum geht,  Personen, die mutwillig Panik durch Knallerei ausgelöst haben,  zu identifizieren. Ansonsten haftet der Halter für Schäden – ein guter Grund zu prüfen, ob die Haftpflichtversicherung auch bezahlt wurde. 

 

 

autorin patricia loesche

Patricia Lösche

Patricia Lösche ist freie Autorin, Text- und Bild-Journalistin. Der Dolmetscher-Ausbildung folgten Biologie- und Journalistik-Studium, freier und redaktioneller Journalismus für verschiedene große Verlage. Später dann die Ausbildung zur Tierheilpraktikerin an der ATM und die Tierpsychologie-Ausbildung an der ATN. Empathie, Achtung und Verständnis auf Augenhöhe im Umgang mit Tieren sind Patricia Lösche ein besonderes Anliegen. Seit 2014 schreibt sie für ATM und ATN Blogbeiträge, ist Autorin von Skripten und betreut als Tutorin die Studierende unterschiedlicher Fachbereiche. In die Wissensvermittlung fließen mehrjährige Praxis-Erfahrungen aus der naturheilkundlichen Behandlung von Pferden, Hunden und Katzen ebenso ein, wie die jahrzehntelange Erfahrung eigener Tierhaltung. Sie ist Mitglied im Fachverband niedergelassener Tierheilpraktiker (FNT) und 1.Vorsitzende im Berufsverband der Tierverhaltensberater und –trainer (VdTT).

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