Tipps für stressfreie Hundebegegnungen an der Leine – Leinenaggression vorbeugen

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Tipps für stressfreie Hundebegegnungen an der Leine – Leinenaggression vorbeugen – Anna Jurkovska – stock.adobe.com

Kennen Sie einen Hund, der bei Begegnungen mit anderen Hunden bellt? Ganz besonders, wenn er an der Leine ist? Oder haben Sie selbst einen solchen Hund zu Hause? Keine Sorge: Denn erstens ist dieses Verhalten zwar lästig, aber normal. Und zweitens kann man etwas dagegen tun.

Bellen bei Begegnungen mit Hunden ist normal

Hunde möchten Begegnungen in bestimmter Weise gestalten: Ihre Natur schlägt ihnen vor, stehen zu bleiben und zu schauen, wer da kommt. Danach wählen sie entweder Hingehen und Begrüßen (wenn sie den Hund kennen und mögen), oder eine langsame „höfliche“ Annäherung (wenn sie den Hund nicht kennen und trotzdem mögen) oder Ignorieren oder gar Meiden (wenn sie den Hund nicht mögen).

Ärgern sie sich über den anderen Hund, dann können sie Elemente des Drohens einbauen. Das wären zum Beispiel Großmachen, Anspannen der Muskeln, starres Gucken (Fixieren) oder kurzes Bellen. Damit teilen Hunde mit: „Halt Abstand. Kein Kontakt erwünscht.“ Es ist sogar völlig in Ordnung, wenn sie dieses Verhalten zeigen – solange es bei einer kurzen Mitteilung bleibt und schnell vorbei ist.

angespanntes fixieren kann ein element des drohens sein

Angespanntes Fixieren kann ein Element des Drohens sein. (© pippalbhumika – Pixabay)

Die genannten Verhaltensweisen werden oft gemischt mit deeskalierenden Signalen („Ich tu Dir nix.“). Hunde können zum Beispiel kurz stehenbleiben, zur Seite gucken, im Bogen laufen oder am Boden schnuppern. Beobachten Sie doch einmal verschiedene Hunde bei Begegnungen mit ihren Artgenossen. Sie werden diese Signale mit Sicherheit sehen.

Wenn ein solches Verhalten normal ist, dann bleibt Frage:

Warum reagieren manche Hunde an der Leine so aggressiv?

Die Antwort ist: Weil die Leine sie daran hindert, die Begegnung in der oben genannten Weise zu gestalten. Sie können nicht stehenbleiben, ausweichen oder am Boden schnuppern. Gerade für unsichere oder junge Hunde wären die Möglichkeit zu diesen Verhaltensweisen aber wichtig. Sind sie erst einmal „cooler“ geworden, dann halten sie es aus, manchmal nicht kommunizieren zu dürfen. Sie sind dann in der Lage, einfach vorbei zu gehen.

Es gibt noch weitere Faktoren, die Leinenbegegnungen beeinflussen:

  • Ist Ihr Hund gesund? Schmerzen oder Unwohlsein, oder schlechteres Sehen sind gar nicht so leicht zu erkennen und werden oft übersehen. Gerade beim älteren Hund spielt das oft eine Rolle.
  • Der Hund ist frustriert, weil er zu wenig Hundekontakt hat.
  • Er hat gelernt, dass Hundekontakt wildes Spiel bedeutet – und ärgert sich, weil er das nicht kann.
  • Mittels Leinenruck wurde versucht, ihm die Leinenführigkeit beizubringen. Ein so trainierter Hund erwartet den Ruck, wenn er einen anderen Hund sieht – und wird ängstlich oder wütend.
  • Sein Mensch ist angespannt oder streng, wenn ein anderer Hund kommt. Er verkürzt die Leine und befiehlt „Fuß!“ oder „Nein!“. Jeder Hund wird daraus lernen: „Mein Mensch gerät in Alarm, wenn wir einen Hund treffen. Also bin ich auch alarmiert!“
  • Auch andere Formen der Strafe können sich negativ auswirken. Oft werden sie nämlich mit dem Gegenüber verknüpft. Hundebegegnungen bedeuten dann etwas Schlechtes. Manchmal ist der bestrafte Hund äußerlich ruhiger. Aber innerlich ist er angespannter als zuvor.
  • Vierbeiner, die schlechte Erfahrungen mit anderen Hunden gemacht haben, sind bei Begegnungen angespannter. Sie reagieren, um sich zu schützen.
  • Hunde mit ausgeprägten territorialen Neigungen ärgern sich, wenn sie Fremde auf ihren gewohnten Spazierwegen treffen. Sie möchten den Eindringling vertreiben.

Was kann man gegen aggressives Verhalten an der Leine tun?

Vielleicht haben Sie im vorigen Absatz Dinge entdeckt, die für Ihren Hund gelten und haben einen „Leinenbeller“? Dann sollten Sie die oben genannten negativen Einflüsse reduzieren! Und Sie können sogar noch mehr tun: Nachfolgend finden Sie eine Reihe von Techniken, die Ihnen und Ihrem Hund beim Umlernen helfen können. Wählen Sie aus, was am besten zu Ihnen passt.

Ermöglichen Sie Ihrem Hund regelmäßigen Kontakt zu anderen. Spielen ist dabei okay. Aber Ihr Hund braucht vor allem ruhigen Hundekontakt, der ihm Zeit lässt, den anderen zu beobachten, sich mit ihm auszutauschen und daraus zu lernen. Er lernt ganz nebenbei, kleinere Konflikte zu gestalten. Meine Empfehlung: Gehen Sie gemeinsam spazieren.

Beobachten Sie Ihren Hund, wenn er sich mit anderen Hunden beschäftigt. Loben Sie ihn, wenn er ruhiges und vorsichtiges Verhalten zeigt. Weggehen ist ein besonders wertvolles Verhalten. Wann immer Ihr Hund den anderen verlässt, dürfen Sie ihm sagen, wie gut er ist!

Probieren Sie ein gutsitzendes Brustgeschirr aus. Viele Hunde laufen mit Geschirr entspannter. Und: Sie können Ihren Hund in kniffligen Fällen am Rückensteg festhalten.

Führen Sie Ihren Hund an einer 3-5 Meter langen Leine. Dann können Sie ihm etwas mehr Freiheit geben. Natürlich nur, wenn die Sicherheit es erlaubt. Verwenden Sie jedoch keine Roll-Leine (z.B. „Flexi-Leine“)! Die ruckartigen Bewegungen dieser Leinen machen es für Sie und besonders für Ihren Hund viel schwerer.

Bei Sichtung eines Hundes auf dem Spaziergang sollten Sie Ihren eigenen Vierbeiner beobachten. Ermöglichen Sie ihm, zu verlangsamen, auszuweichen oder zu deeskalieren. Und noch ein Tipp: Gehen Sie auf Abstand! Ein bisschen mehr Raum macht Begegnungen oft viel einfacher.

Wann immer Sie Ihren Hund stärker sichern möchten, verkürzen Sie die Leine. Tun Sie dies auf gleitende Weise, so dass der Hund es kaum merkt.

Egal, was Ihr Hund macht: Bleiben Sie freundlich. Es wäre ungünstig, wenn Sie Ihre „Coolness“ verlieren. Freundlich bleiben kann man üben. Überlegen Sie sich, was Sie bei Begegnungen machen wollen, und spielen Sie den Ablauf ein paar Mal in Gedanken durch. So bekommen Sie die Kontrolle und können gelassener bleiben.

probieren sie eine laengere leine oder ein brustgeschirr

Probieren Sie eine längere Leine oder ein Brustgeschirr (© DoraZett – stock.adobe.com)

Wollen Sie das Bellen noch weiter reduzieren? Dann sollten Sie zwei Dinge tun:

  1. Verhindern Sie, dass Ihr Hund es weiter einübt.
  2. Bringen Sie Ihrem Hund bei, was er stattdessen fühlen und machen soll.

Verhindern Sie, dass Ihr Hund das Bellen an der Leine weiter einübt

Was übt Ihr Hund, wenn er bellt? Richtig geraten: Er übt bellen. Und er übt, sich aufzuregen. Beides müssen Sie verhindern, wenn Ihr Hund sich bessern soll.

Weichen Sie aus und halten Sie einfach so weit Abstand zu anderen Hunden, wie Ihr Hund es braucht. Gehen Sie zur Seite und im Bogen an dem anderen vorbei. Oder warten Sie mit etwas Abstand, bis er weg ist.

Vielleicht können Sie Hundebegegnungen eine Zeitlang völlig aus dem Weg gehen. Das geht nicht, sagen Sie? Keine Sorge: Die meisten Menschen können Hundebegegnungen nicht völlig vermeiden. Machen Sie einfach, was möglich ist. Wenn Sie die Anzahl der stressigen Begegnungen reduzieren, ist das schon hilfreich.

Bis Ihr Hund gelassener geworden ist, wählen Sie Ort und Zeit Ihrer Spaziergänge so, dass Sie nur wenige Hunde treffen. Und nutzen Sie die anderen Tipps, die in diesem Artikel genannt werden.

Bringen Sie Ihrem Hund bei, was er stattdessen fühlen und machen soll

Sobald Ihr Hund einen anderen sichtet, verändern sich seine Gefühle. Und die Gefühle sind wichtig. Er wird entsprechend handeln.

Deswegen ist es ein bewährter Trick, ihm zu sagen, was er „fühlen“ soll. Das machen Sie so:

  • Sprechen Sie mit ihm. Erklären Sie ihm freundlich: „Schau mal, ein Hund! Das ist ganz prima. Wir freuen uns.“. So lange Ihr Hund friedlich ist, dürfen Sie ihn sogar loben. Klingt komisch, nicht wahr? Diese Technik nennt man „Schönloben“. Sie funktioniert gut, solange Sie und Ihr Hund noch nicht zu aufgeregt sind. Wenn Sie selbst angespannt werden, macht sich das in Ihrer Stimme bemerkbar. Dann ist es besser, still zu bleiben.
  • Füttern Sie ihn. Mit der Technik des „Schönfütterns“ lehren Sie Ihrem Vierbeiner: „Ein Hund bedeutet etwas Gutes“ (nämlich etwas Leckeres beim Menschen). Daraus kann ein Ritual entstehen. Dann schaut Ihr Hund Sie an, wenn er einen anderen sieht – und fragt nach dem Leckerli. Schönfüttern wird so angewendet: Wenn Sie einen anderen Hund kommen sehen, dann machen Sie Ihren Hund darauf aufmerksam. Sobald er den anderen sieht, loben und füttern sie ihn. Versuchen Sie ihn mit dem Futter etwas abzulenken. Wenn das klappt, können Sie das Ganze sofort wiederholen: Hingucken – Loben – Füttern. Diese Technik kann man gut mit anderen kombinieren: zum Beispiel mit dem seitlichen Ausweichen oder dem Bei-Fuß-Gehen.

Und so bringen Sie Ihrem Hund bei, was er tun soll:

  • Üben Sie eine Kehrtwendung ein. Überlegen Sie sich ein bestimmtes Geräusch (z.B. Schnalzen). Schnalzen Sie, und dann drehen Sie sich um und gehen vom Hund weg. Kommt er mit? Belohnen Sie ihn! Reagiert er nicht? Dann rufen Sie ihn, damit er Ihnen folgt. Oder Sie locken ihn mit etwas Futter. Die Kehrtwendung dient als Notfallmaßnahme für Situationen, die zu schwierig werden.
  • Wo ist der schönste Platz der Welt? „Bei meinem Menschen.“ Wenn Sie das Laufen an Ihrer Seite („Bei Fuß“ an der rechten und linken Seite) sehr gründlich und angenehm trainiert haben, wird Ihr Hund genau das denken. Investieren Sie Zeit und sehr viele Belohnungen (!), damit Ihr Hund dies verinnerlicht.

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Üben Sie zunächst immer in ruhiger Umgebung Üben Sie zunächst immer in ruhiger Umgebung (© Seaq68 – Pixabay)

Noch ein wichtiger Tipp: Üben Sie alles in ruhiger Umgebung gründlich ein. Mit vielen Belohnungen! Kein Mensch kann auf einem Heavy-Metal-Konzert ein Gedicht auswendig lernen. Aber: wenn er es schon auswendig weiß – dann kann er es auf einem solchen Konzert aufsagen. Das geht Hunden genauso. Wenn sie ihre Rituale (Fressen, Bei Fuß-Gehen oder Kehrtwendung) gut können, dann sind sie auch unter schwierigen Bedingungen abrufbar.

Nicht immer – aber immer öfter. Nach und nach kann es immer besser werden.

Hundetrainer Ausbildung ATN - zu den Lehrgangsdetails
autorin maria hense

Maria Hense

Die Tierärztin Maria Hense erwarb ihr umfangreiches Wissen über Hunde durch Beobachtungen an Wölfen, Pudelwölfen und Hunden. Zahlreiche Fortbildungen über Ethologie, Haltung und Verhalten von Haustieren sowie Verhaltenstherapie folgten. Dieses Wissen vermittelt sie in ihrer verhaltenstherapeutischen Tierarztpraxis und als Hundetrainerin. Ihre Ziele: psychisch gesunde, alltagstaugliche Hunde, zufriedene Besitzer und artgerechte Beschäftigung des Hundes. Dabei setzt sie auf Problemlösungen, die Hund und Mensch nicht unter Druck setzen und ohne Zwangsmittel auskommen. 2010 erschien ihr Buch „Der hyperaktive Hund“. Zusammen mit Christina Sondermann verfasste sie die Bücher „Spiele für die Hundestunde“ (2007) und „Perspektivwechsel“ (2014). Maria Hense hält Seminare für Hundebesitzer, Trainer sowie Verhaltenstherapeuten und ist seit vielen Jahren als Dozentin, Autorin und Tutorin für die ATN tätig.

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