Birkenzucker (Xylit): Gift für Hunde

Birkenzucker (Xylit): Gift für Hunde

Birkenzucker (Xylit): Gift für Hunde – agneskantaruk – stock.adobe.com

Bonnies erster Geburtstag. Frauchen hat ihrer Hündin einen Kuchen gebacken. Damit er nicht dick macht, verwendet sie Birkenzucker (Xylit). Aus dem gleichen Grund backt sie damit auch für sich, wenn es süß sein soll. Bonny verschlingt den leckeren Geburtstagskuchen und es ist ihr letzter, denn eine halbe Stunde später bricht sie zusammen. Der Tierarzt kann sie nicht mehr retten: Bei einer derart massiven Birkenzucker-Vergiftung kommt jede Hilfe zu spät.

Zugegeben, die Geschichte von Bonnie ist frei erfunden. Aber sie könnte genauso stattfinden. Für viele Menschen ist Zucker ein Teufelszeug. Schmeckt lecker, macht aber krank und dick. Kein Wunder, dass alternative Lösungen zum Süßen von Nahrungsmitteln beliebt sind. Eine davon heißt Xylit, bekannt auch unter dem weniger chemisch klingenden Namen Birkenzucker. In Hundehaushalten sollte das allerdings ebenso giftig klingen wie Arsen. Doch Birkenzucker klingt harmlos, grün, gut und lässt bei den wenigsten Hundehaltern Alarmglocken schrillen. Leider.

Xylit (auch Xylitol) klingt schon eher nach: Dieser Name kann nichts Gutes bedeuten. Xylit klingt künstlich, aggressiv und macht misstrauisch. Auch wenn die Alternativ-Süße für Menschen unbedenklich ist, für Hunde kann die Aufnahme tödlich enden und macht sie in jedem Fall krank. Schon 0,3 Gramm (manche Quellen sprechen sogar von 0,1 Gramm) je Kilogramm Körpergewicht können einen Hund gefährden, gerade mal 0,5 Gramm je Kilogramm Körpergewicht reichen für einen Leberschaden und ab drei Gramm je Kilogramm Körpergewicht ist der Hund nicht mehr zu retten.

Birkenzucker versüßt viele Lebensmittel

Die Mengenangaben erscheinen zunächst hoch. Aber ein paar Rechenexempel zeigen, dass die Aufnahme dieser Mengen keinesfalls unrealistisch ist. Ein mit Birkenzucker gebackener Kuchen enthält rund 250 Gramm davon und ist fix vom Tisch gestohlen. Bonbons, die als zuckerfrei deklariert sind und stattdessen mit Xylit hergestellt werden, können zu etwa 90 Prozent daraus bestehen. Eine 200 Gramm Packung davon enthält also 190 Gramm Xylit. Der Hund müsste schon mindestens 65 Kilogramm wiegen, damit er noch eine Chance hätte, den Diebstahl zu überleben.

Von Zahnpflege-Kaugummis mit hohem Birkenzucker-Anteil können drei kleine Stückchen genug davon enthalten, um einen 10 Kilogramm schweren Hund in Lebensgefahr zu bringen.

Nun gut, kein Problem, so ein Teufelszeug kommt ohnehin nicht in den Haushalt. Wirklich nicht? Zuckerfrei und trotzdem süß ist populär. Ein genauer Blick auf die Zutaten von Nahrungsmitteln zeigt, dass inzwischen viele von ihnen mit Birkenzucker gesüßt werden. Und es werden immer mehr. Dazu gehören neben anderen:

  • kalorienenreduzierte Milchprodukte
  • kalorienreduzierte Schokoladen, Desserts, Marmeladen
  • zuckerfreie Süßigkeiten und Kaugummies
  • Soßen
  • glutenfreie Lebensmittel
  • Diät-Lebensmittel
  • Streuzuckerersatz
  • Gelierhilfe
  • Süßgetränke
  • Fertigprodukte
  • Nahrungsergänzungen für Sportler
  • Zahnpasta
  • Zahnpflege-Kaugummis
Xylit-Vergiftung beim Hund ist ein intensivmedizinischer Notfall

Xylit-Vergiftung beim Hund ist ein intensivmedizinischer Notfall. (© herraez – istock)

KÖRPERGEWICHTRASSEBEISPIELEGESAMTMENGE BEI 0,3 GRAMM/KGGESAMTMENGE BEI 0,5 GRAMM/KGGESAMTMENGE BEI 3 GRAMM/KG
3 KilogrammChihuahua, Zwergspitz0,9 Gramm1,5 Gramm9 Gramm
8 KilogrammJack Russel Terrier, Mops2,4 Gramm4 Gramm24 Gramm
20 KilogrammAustralian Shepherd, Großpudel6 Gramm10 Gramm60 Gramm
40 KilogrammBerner Sennenhund, Deutscher Schäferhund12 Gramm20 Gramm120 Gramm
80 KilogrammBernhardiner, Kaukasischer Owtscharka24 Gramm40 Gramm240 Gramm

Darum ist Xylit so giftig für Hunde

Bei Hunden bewirkt der Zuckeraustauschstoff eine halbe bis eine Stunde nach Aufnahme (seltener verzögert) eine hohe Insulinausschüttung. Dadurch kommt es zur Unterzuckerung (Hypoglykämie). Bei einer ausgeprägten Hypoglykämie, zu der es nach Aufnahme größerer Mengen Xylit kommt, steht dem Körper für die Vitalfunktionen schließlich nicht mehr ausreichend Energie zur Verfügung. Die Folge ist Organversagen. Der Hund bricht zusammen, fällt ins Koma und stirbt.

Bei weniger großen Mengen bewirkt die Unterzuckerung

  • Zittern
  • Lethargie
  • Apathie
  • Schwäche
  • Ataxie
  • Sehstörungen
  • Blutgerinnungsstörungen (Koagulopathien)

Selbst wenn der Hund noch schnell genug an den Tropf gehängt werden kann und die Menge deutlich unterhalb von drei Gramm je Kilogramm Körpergewicht liegt, ist ein Leberschaden wahrscheinlich und kann auch dann auftreten, wenn die Unterzuckerung keine erkennbaren Symptome hervorruft.

Hunden ist angeboren, das, was sie an Fressbarem finden, auch zu fressen. Tierquäler und Hundehasser nutzen das, um Hunde zu vergiften. Birkenzucker kann leider für diesen kriminellen Zweck missbraucht werden. Aber Hunde können lernen, Fressbares nur anzuzeigen, ohne es zu fressen. Mit Verbot kommt man hier meist nicht sehr weit. Aber das Auftrainieren einer attraktiven Alternative ist möglich. Ein Grund mehr, einen kompetenten Hundetrainer hinzuzuziehen.

Viel Zeit bleibt dem Hundehalter ohnehin nicht. Doch die wenigsten von ihnen denken an eine Birkenzucker-Vergiftung, wenn der Hund erste Symptome zeigt, und selten wohnt der Tierarzt nur wenige Minuten entfernt. Schafft der Hund es doch noch in die Praxis, dann ist eine Vergiftung mit Xylit bei Hunden ein absoluter Notfall. Mittel gegen Vergiftungen (provoziertes Erbrechen, Aktivkohle) sind wirkungslos. Der Zeitrahmen, der für lebensrettende Maßnahmen zur Verfügung steht, ist eng. Es geht buchstäblich um Minuten. Ist die Menge eher gering und kommt die Hilfe schnell, gibt es jedoch eine Chance. Etwas Zeit lässt sich durch die Gabe von Zuckerwasser gewinnen, sofern der Patient noch schlucken kann. Alternativ können die Maulschleimhäute damit abgestrichen werden.

Xylit ist ein Zuckeraustauschstoff. Gewonnen wird er durch industrielle Extraktion aus Birkenrinde, Maiskolbenresten, Hölzern, Stroh oder Rückständen der Zuckerherstellung. Süße und Konsistenz sind dem Zucker sehr ähnlich. Anders als dieser gehört er jedoch nicht zu den Kohlenhydraten. Xylit ist chemisch ein Alkohol (Zuckeralkohol), der nur knapp halb so viele Kalorien hat wie das „Original“. Darum wird er als die schlankere Variante des Zuckers verwendet und steckt als Zusatzstoff E 967 in vielen Produkten, vor allem – aber nicht nur – in kalorienreduzierten. Im Gegensatz zum Zucker verursacht Xylit keinen Karies und wird darum beispielsweise in Zahnpflegekaugummies und Zahnpasta verwendet. Im Gegensatz zum Hund bewirkt Birkenzucker beim Menschen keine hohe Ausschüttung an Insulin und ist deshalb für uns unbedenklich.

Nicht immer frisst der Hund nur was er soll. Kindergeburtstage, unbeaufsichtigte Lebensmittel, das Picknick im Grünen oder Powerriegel in der offenen Sporttasche bieten manchem Hund gern genutzte Chancen zur Selbstversorgung. Menschen, die den Hund vom gekauften Kuchen, vom kalorienreduzierten Eis oder von der Diätspeise naschen lassen, geplünderte Mülleimer, Kids, die freiwillig oder unfreiwillig Birkenzucker-Gesüßtes mit ihrem Hund teilen: Auch das sind weitere und leicht zugängliche Quellen für die giftige Nahrungsergänzung. Die Geschichte von Bonnie am Anfang war fiktiv. Aber wenn Frauchen und Herrchen nicht aufpassen, könnte sie für die ganz realen Bonnies und Bonzos zur traurigen Wirklichkeit werden.

Quellen:

Lisa A. Morphy, Adrenne E. Coleman: Xylitol toxicosis in dogs (Veterinary Clinics of North America: Amall Animal Practice; Vol. 42, Issue 2, März 2012, S. 307-312)

Bundesverband der Verbraucherzentralen und Verbraucherverbände – Verbraucherzentrale Bundesverband e.V. (vzbv):

https://www.lebensmittelklarheit.de/suche/Xylit 

https://www.lebensmittelklarheit.de/informationen/suesse-zusatzstoffe-zuckeraustauschstoffe-und-suessstoffe 

https://www.lebensmittelklarheit.de/informationen/birkenzucker-nichts-anderes-als-der-zusatzstoff-xylit
(alle Zugriffe vom 11.5.2021)

Ausbildung zum Hundeernährungsberater ATN - verschiedene Dosen mit Hundefutter und Leckerlis
autorin patricia loesche

Patricia Lösche

Patricia Lösche ist freie Autorin, Text- und Bild-Journalistin. Der Dolmetscher-Ausbildung folgten Biologie- und Journalistik-Studium, freier und redaktioneller Journalismus für verschiedene große Verlage. Später dann die Ausbildung zur Tierheilpraktikerin an der ATM und die Tierpsychologie-Ausbildung an der ATN. Empathie, Achtung und Verständnis auf Augenhöhe im Umgang mit Tieren sind Patricia Lösche ein besonderes Anliegen. Seit 2014 schreibt sie für ATM und ATN Blogbeiträge, ist Autorin von Skripten und betreut als Tutorin die Studierende unterschiedlicher Fachbereiche. In die Wissensvermittlung fließen mehrjährige Praxis-Erfahrungen aus der naturheilkundlichen Behandlung von Pferden, Hunden und Katzen ebenso ein, wie die jahrzehntelange Erfahrung eigener Tierhaltung. Sie ist Mitglied im Fachverband niedergelassener Tierheilpraktiker (FNT) und 1.Vorsitzende im Berufsverband der Tierverhaltensberater und –trainer (VdTT).

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